Istanbul, Türkei09/17–11/17

Pirmin Hagen

Istanbul ist natürlich eine sehr beeindruckende Stadt. Sowohl in ihrer Ausdehnung als auch in der Andersartigkeit der verschiedenen Stadtteile. Ich habe also einen großen Teil der Zeit außerhalb des Ateliers verbracht und die Stadt erkundet. Mich haben da im Moment geografische Strukturen, Besiedelung und historische islamische Bauwerke interessiert, das war dann auch so in etwa meine Erkundungsleitlinie.

Daneben war auch viel Kulturelles zu sehen, alt und neu, Biennale und Archäologie.

Abgesehen von der Stadterkundung, aber auch außerhalb des Ateliers, habe ich einige Stunden in der Bibliothek in der SALT Galata verbracht, in der neben einer umfangreichen Sammlung von Literatur zu Kunst und Kultur auch viele für diesen Kulturkreis spezifische Publikationen einzusehen sind. Dass in unmittelbarer Nähe ein lustiges Arbeiterviertel und ein Fischmarkt mit angeschlossenem Restaurant ist, schadet der intellektuellen Lebensweise also auch nicht.

Und dann, im Atelier in Cihangir, habe ich ein bisschen gezeichnet, immerhin sind die Räume dort ideal für diesen Zweck, und das sollte man auch ausnützen.

So viel zur Arbeit. Was in Istanbul immer wichtig ist, ist das Essen. Da muss man sich eben durchprobieren.

Außer der Stadt habe ich mir dann noch ein paar andere Teile des Landes angesehen, die Hauptstadt z. B. Die ist ja von den Gründervätern der Republik mit Hilfe u. a. österreichischer Architekten geplant und errichtet worden. Und im Gegensatz dazu Konya, als religiös-konservatives Zentrum aus vorosmanischer Zeit.

Und damit die Leser dieser Zeilen nicht enttäuscht sind, werde ich noch mit ein paar Worten auf meine Erfahrungen mit der politischen Lage in der Türkei eingehen, wobei ich von vornherein sagen muss, hier nur einen sehr kleinen Einblick bekommen zu haben. Die politischen Schwierigkeiten sind ja bekannt, es ist nun aber im Alltag nicht so, dass man eine ständige Bedrohung wahrnimmt. Viele Kontrollen, viel Polizei, mehr als früher (glaube ich), viel mehr als in Österreich, noch. Was Leute erzählen, ist, dass viele verunsichert sind, wegen des Umbaus des Bildungssystems und wegen des Drucks auf Oppositionelle. Es ist aber eben auch nicht so, dass über die Geschehnisse nicht gesprochen wird, ganz im Gegenteil. Interessanterweise werden die politischen Geschehnisse in Österreich in der Türkei auch jenseits der Erdoğan-Polemik mit Sorge beobachtet. Als dieser sich vor Jahrzehnten an die Spitze der Politik arbeitete, war er übrigens auch eine Art Jugendhoffnung und ein Symbol gegen die veraltete, verkrustete Politik der Zeit davor.

Das hilft jetzt auch nicht viel weiter. Istanbul, die Türkei, ist auf jeden Fall ein aufregender Ort. Sehr interessant und lehrreich, sehr unterhaltsam.

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  Bombe
2. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  Essen, Chaos
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Kann man eh machen, was man will, auf jeden Fall sollte man das gute Essen genießen, weniger angebracht sind vielleicht öffentliche Provokationen, die religiöse Gefühle verletzen (z. B. Atatürk verspotten etc.)
4. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  hängt natürlich von der Arbeit ab; in Karaköy gibt es alles für den Handwerker, vor allem für den Bootsbau, aber auch verschiedenstes Werkzeug, Säcke voller Pigmente und alle Arten von Schrauben … Wenn man nur einen Zeichenblock will, gibt es auf der Straße Richtung Taksim (Siraselviler Caddesi) eine kleine versteckte Kirtasiye (Özen Kirtasiye).
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitnehmen:
  gutes Schuhwerk
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  gibt es
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  einkaufen in den umliegenden Supermärkten z. B.; für Bio-interessierte gibt es einen Wochenmarkt am Samstag in Kurtuluş; Türkischer Kaffee in einer der Teestuben, sauren Espresso in einem der Kaffees der dritten Welle; Mittagsteller entweder Özkonak (bergauf) oder Deniz (bergab);
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  Urban, Cihangir Merdiven, Ispanak, …
9. Was ich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Nichts, was man aber, finde ich, wissen sollte, ist, dass die SALT Galata eine hervorragende Bibliothek hat und dass man mit dem Künstlerausweis fast überall gratis hineinkommt (im Zweifel auf die UNSECO Adresse hinweisen).


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