Peking, China01/19–03/19

Silvia Robin Ederer

… beijingichliebedir …


im ersten monat war ich jede minute auf den beinen, um mit meinen kolleg:innen die stadt zu erforschen. Wir waren in jeder ausstellung, wir waren in jedem museum, am tian’anmen-platz, auf der chinesischen mauer, tranken abends bier im zentrum, aßen uns durch alle gerichte (ja auch tauben, kalbsoesophagus, entenherzen, schweinehautsuppe etc. …) streunten durch caochangdi und den 798, und ließen keinen tag verstreichen, ohne neues gehört oder gesehen zu haben.
die menschen in peking sind größtenteils sehr aufgeschlossen und hilfsbereit, so war es trotz der winterlichen minusgrade geradezu unmöglich, mich nicht wohl zu fühlen. die menschen in peking sind nicht nur sehr aufgeschlossen, sondern auch sehr pragmatisch; es ist egal, woher du kommst, wie alt du bist oder welche farbe deine haut hat – they just wanna get it done. diese haltung erzeugte sofort einen ernormen fluss, der die bewegung und das tun über alles andere stellt – wunderbar! keine umständlichkeiten, keine verschränkungen einfach nur lösungsorientiert und ständig in bewegung …
einmal während einer busfahrt begann der busfahrer plötzlich laut zu fluchen. wir alle drehten uns um und sahen,
dass aus dem bus riesige schwaden rauches drangen. der bus hielt an und alle stiegen aus. Das bemerkenswerte daran war, dass niemand der busgäste zu schimpfen begann, oder auch nur murrte. alle stiegen einfach nur aus und warteten auf den nächsten bus.
ein andermal, als ich mitten im arbeiten war, ereignete sich folgendes: es klingelt an der tür. ich öffne mit farbe bedeckt, meine brille irgendwo verlegt. ein junger asiate drückt mir mit einem lächeln ein kubisches, schweres, realtiv großes paket in die hand. ich stelle es im apartment ab und zücke – so wie hier immer, wenn ich verstehen wollte was sache ist – mein smartphone, um die schriftzeichen auf dem paket zu entziffern: „… moschushirsch aus norden, 812 leichen der zhong wang sieben bezirke im stadtviertel …“ nach kurzem überlegen war klar, der zusteller hat sich entweder in der tür geirrt, oder sich einen sehr schwarzhumorigen scherz erlaubt, indem er mir die urne eines verstorbenen von ein paar stockwerken höher in die hand gedrückt hat.
ab mitte februar war dann mein erforschungspensum schlagartig umgewandelt in ein materialisationspensum, weil mir der kulturataché österreichs – herr arnold obermayr – vorschlug, eine ausstellung in der österreichischen botschaft in peking zu machen, was ich mit großer freude auch annahm. ein thema war schnell gefunden – <maslow’s dream> –, text zur ausstellung geschrieben, kolleg:innen kuratierend eingeladen, einladung entworfen und selbst fünf arbeiten für die ausstellung gemacht – veni, vidi, laboro …
unsere zusammenarbeit war für mich sehr bereichernd, und ich bin außerordentlich froh, diese erfahrung gemacht zu haben. vieles davon hat hier im langsamen österreich bereits den weg in meine praxis gefunden.
dankeschön, es war mir – und hoffentlich auch allen anderen – eine riesige freude …

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  … beijingichliebedir …
2. Das fehlt mir/ das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  … eine ganze menge und eine fußbodenheizung
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  wie überall anders auch – respekt und die neugierde, so viel wie möglich erforschen und erfahren zu wollen
4. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  an diesen beiden orten findest du eine fabelhafte qualität und auswahl an leinwänden, farben und allen möglichen bindemitteln:
北京市朝阳区花家地南街12 号 und 北京市朝阳区花家地南街花家地南里5号楼
wenn man mehr geld ausgeben möchte, dann kaufe man ein paar hundert meter weiter im schniekeren art supply gegenüber vom cafa art museum; alle genannten locations befinden sich auf der strecke der 854 bus-linie – selbe ausstiegsstelle.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen:
  … wem ein leben ohne espresso schier sinnlos erscheint, tut gut daran eine kleine espressomaschine mit nach beijijng zu nehmen …  und nehmt euch reichlich hautcremes mit, denn das wasser und die luft werden nach geraumer zeit zur wahren bedrohung – speziell für die exponierten stellen wie hände und gesicht … meine bluetooth box wollte ich auch nicht vermissen … 
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  … explore …!!!
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  die jenny lu-kette führt sogar italienischen kaffee, doch dafür bist du hin und retour mindestens eine stunde mit dem bus unterwegs  …  das essen ist an den meisten plätzen unglaublich lecker
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  im jingwang selbst, wo sich die studios befinden, gibt es auf der straße weder gute sounds noch leckre drinks – all das findet man im stadtzentrum, dennoch gibt es im jingwang jede menge restaurants, die es sich lohnt durchzuprobieren; die reichhaltigen variationen der gerichte sind umwerfend.
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  …  hätte ich gewusst wie gut mir das arbeiten in beijing gefallen wird, hätte ich mehr zeit mit vorfreude verbringen können …  


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