Peking, China09/16–11/16

Ines Hochgerner

Pause vom Eurozentrismus – Residency in Beijing

Das Studio liegt in einem Dorf am Stadtrand, Gastarbeiter:innen und Künstler:innen leben hier, weiße Fuchsbabys in Käfigen und eine Hirschfamilie im Vorgarten eines Bildhauers. Im Dorf liegt überall Müll, Kinder kacken auf die Straße, und die Kanalarbeiten machen den Weg zum Supermarkt zu einer Trekkingtour. Vieles dauert unglaublich lange: eine Straße überqueren, Daten aus dem Internet downloaden, und in der Rushhour fällt die Entscheidung, ob man mit dem Taxi im Stau oder in der U-Bahn Körper an Körper stehen will. Hatte darum dann doch einen kleinen Kulturschock, der sich lustigerweise gegeben hat, als ich mich mit dem Taxi nachts verfahren habe – allein mit leerem Handy um 4 Uhr früh in der Pampa stand, bei McDonalds geweint hab’, weil ich nicht mal auf chinesisch gestikulieren kann, dank hilfsbereiter Menschen mit Übersetzungsapps heimgekommen bin und dann noch versucht habe, über ein vermeintlich verschlossenes, drei Meter hohes Metalltor zu klettern.
Darum bin ich gerade sehr dankbar, dass es Gentrifizierung gibt, denn Pekings Zentrum ist letztlich wie jede andere Hauptstadt dieser Welt: Es gibt ein schickes Stadtzentrum, historische Stätten (zumindest noch einige, die nicht der Kulturrevolution zum Opfer gefallen sind), hippe Hutongs, vegane Restaurants, Starbucks und Street Food.

1. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Dos: Radfahren! Im Ernst! Das klingt absurd, v. a. wenn man eine generelle Idee vom Verkehr und dessen Regeln in Peking hat, doch es ist eine wirklich gute Art, die Stadt kennenzulernen. Man muss nur verstehen, dass Peking als Gesamtes eine Begegnungszone ist und Regeln eher als Empfehlungen verstanden werden. Und unbedingt: Wechat! Ist die chinesische Variante von Whatsapp bzw. eine Mischung aus facebook und Whatsapp, nur mit einem viel schickeren Auftritt sowie einer Unzahl an animierten Stickern, die ganze Sätze irgendwann als überbewertet erscheinen lassen. Sämtliche Kommunikation findet so statt – inklusive Ausstellungs-Einladungen, und man kann damit sogar bezahlen. Die chinesische Regierung liest aber garantiert mit.
Don’ts: Ohne Handy und Ladegerät aus dem Haus gehen. Das kann böse enden. Vor allem wenn man nachts allein mit dem Taxi heimfahren möchte.
2. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  Gegenüber von CAFA (20 min mit dem Fahrrad) gibt es zweigeschossig mehrere Shops und im Zentrum gegenüber vom National Museum kleinere, ebenerdige Art Suppliers.
3. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Es gibt den 798 Art District, der nur ca. 20 min mit dem Fahrrad von Feijiacun entfernt und mittlerweile in jedem Reiseführer aufgelistet ist. Dort versammeln sich Galerien aller Arten und kunsthandwerkliche sowie Design-Shops. Interessanter finde ich aber Caochangdi, das noch näher am Dorf liegt und das noch ein klein wenig unkommerzieller wirkt bzw. untouristischer eigentlich. Ai Weiwei hat z. B. das Gebäude von Three Shadows Photography Space entworfen und auch eines seiner Studios dort, es gibt Künstler-Ateliers und Galerien.
Definitives Must go ist aber das Red Brick Museum, das nur zehn Minuten mit dem Rad vom Dorf entfernt liegt. Es ist architektonisch unglaublich spannend und interessant, genauso wie die Ausstellungen auch.
4. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  Einkaufen: Es gibt einen großen Gemüsemarkt im Dorf und einen großen Supermarkt. Der Gemüsemarkt ist so günstig, dass ich noch nie mehr als zwei Euro bezahlt habe. Etwas abseits vom Dorf auf der Hauptstraße davor gibt es einen internationalen Supermarkt, der viel sauberer ist als die Möglichkeiten im Dorf und in dem immer Michael Jackson gespielt wird. Kaffee: Gleich um die Ecke von Compound 8 gibt es einen kleinen Coffeshop bzw. eine Barista-Ausbildungsstätte, die unglaublich guten Kaffee macht. Mittagsteller: Nachdem das Essen im Dorf generell extrem billig ist, gibt es so was wie Mittagsteller nicht bzw. sucht man nicht danach. Der Körper braucht aber zu Anfang eine Weile, um sich an die Reize zu gewöhnen, da im Dorf leider oft Verdorbenes in der Nähe von Street-Food zu finden ist. Das ist dem Appetit nicht immer förderlich.
5. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  Im Laufe der Residency haben sich zwei Stammlokale unter den Residents etabliert: ein kleines Outdoor-BBQ gegenüber den Shangri La-Studios und „the Posterplace“ (heißt nicht wirklich so, nur können wir einfach den Lokalnamen nicht lesen), außerhalb des Dorftores an der Hauptsraße, in dem Plakate aus der Zeit der Kulturrevolution hängen. Es ist praktisch, denn es gibt Fotos in der Speisekarte. Die gibt’s im BBQ nicht, da muss man einfach Fotos am Handy mitnehmen von den Sachen, die man haben möchte. Im Zentrum gibt es ein paar nette Lokale, z. B. das SOS in einer Seitengasse der Gulou East Street. Da kann man Lachgas für 2 Euro kaufen.
6. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Hmmm … Die Frage ist weniger, was ich zu Beginn schon gerne gewusst hätte, sondern was ich lieber geglaubt hätte, denn man wird wirklich gut vorbereitet.
Darum: Was ich gerne geglaubt hätte: Körperpflegeprodukte sind immer gepantscht. Duschgels sind bösartig und schleimhautfeindlich. Sie brennen. Auch wenn man 4 Euro bezahlt und Adidas draufsteht (was ich in Österreich nie kaufen würde, eh klar). Ich hätte doch lieber Astrill statt Express VPN installieren sollen, der scheint besser zu funktionieren. Der Smog ist leider manchmal eine Herausforderung, besonders wenn man gerne mal auch joggen geht. Sport ist fast nicht möglich im Freien. Was ich zum Glück geglaubt habe: Glücklicherweise habe ich meine Lieblingskleidungsstücke nicht mitgebracht. Die Waschmaschine im Studio ist tatsächlich nicht sehr schonend im Umgang mit ihrem Inhalt. Zumindest verträgt sich H&M-Qualität nicht mit ihr. Die Nähte lösen sich auf. Das kann ganz nett aussehen. Aber eben nicht immer.


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