Sabine Jelinek
Eine Pariser Freundin borgt mir im August ihr Fahrrad, weil sie wie alle anderen Pariser im Urlaub ist. So habe ich Gelegenheit, die Stadt per Rad zu erkunden, wovon mir im Vorfeld abgeraten wurde, was aber das Beste überhaupt war. So bin ich per Rad unterwegs zu einer Soirée des österreichischen Botschafters Michael Linhart, welcher erst seit einer Woche in der Stadt an der Seine weilt und sich der Pariser Gesellschaft präsentieren möchte. Sämtliche österreichische Künstler:innen, die momentan an der Cité ein Atelier haben, werden auch da sein, man kann sich diesmal im mondäneren Rahmen kennen lernen und vergnügen. Das Botschaftsgebäude ist bei Invalides, in einer Gegend, in der ich sonst selten unterwegs bin und die ich nicht gut kenne, daher fahre ich am Rad mit dem Handy-Navi. Schon fast da und mir des Zieles sicher, stecke ich fahrend mein Handy in die Jackentasche. Doch wie so oft unterschätze ich die Distanzen in Paris, bis zur nächsten Brücke und Straße ist es noch weit. Nun weiß ich die Abbiegung nicht mehr und muss doch wieder auf mein Handy schauen. Das ist aber weg. Ich springe vom Rad, leere alle Taschen aus, suche in allen Kleidungsstücken – nichts. Ich fahre bis zur letzten Brücke alles ab – nichts. Es ist weg. OMG, meine restliche Zeit in Paris ohne Handy verbringen? Ich bin aufgeschmissen, alle neuen Kontakte und Adressen weg, die alten eh auch und alle Fotos und Videos, weil kein Backup gemacht. Ok, was tun, wo musste ich nochmal hin? Ich kann niemanden anrufen. Also spreche ich einen jungen Mann an, der mit zwei Handys herumhantiert. Ich erkläre ihm meine Lage, bitte ihn, mein Handy anzurufen. Als er die Vorwahl erfährt – Austria ? – verweigert er mich anzurufen. Er sei „from Japan“. Ich bin verzweifelt, überdenke meine Taktik. Es war falsch, einen Touristen anzusprechen, ich muss einen Franzosen finden. Er ist auch schnell entdeckt, im feinsten nachtblauen Zwirn steht er da, lässig an die Brückenbrüstung gelehnt. Auch diesmal erkläre ich meine missliche Lage und bitte um Anruf auf mein Handy. „No Problem“, sagt er, und ruft an. Er spricht französisch und ich bin schon froh, dass es einen Finder gibt und er abgehoben hat. Fünf Minuten später kommt dieser auch schon auf einem Motorrad angerollt und übergibt mir das Handy völlig unbeschadet und freut sich, mich glücklich gemacht zu haben. Ich bedanke mich und frage den Retter nach seinem Namen. Er lächelt und sagt, er heiße „Pascal Paris – easy to remember“. Stimmt, ich werde es nicht vergessen. Danke Paris!
1. | Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort: |
L’AMOUR | |
2. | Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin: |
Jeden Tag aufstehen, den Pariser Himmel sehen, das Brummen der Frachter von der Seine spüren und gleich an meinen Arbeiten weitertun. Ein frisches Croissant oder Baguette zum Frühstück. Der ständige Austausch mit vielen anderen Künstler:innen. |
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3. | Dos & Don’ts an diesem Ort: |
Ein absolutes DO – ans Seineufer gehen (mir wichtiger geworden, als zum Tour Eiffel), entweder zum Picknick oder zum Tangotanzen. Oder an den Kanal St. Martin, wo es ganz oben beim Bassin de la Villette im Sommer eines der wenigen innerstädtischen Freibäder gratis gab. Ein DON’t wäre für mich mit einem dieser Touristenboote zu fahren, weder an der Seine noch am Kanal! | |
4. | Wo kann man super Arbeitsmaterial kaufen? |
Bei BHV beim Hotel de Ville oder rund um Bastille gibt es boesner oder – auch für Fotograf:innen wichtig – der Boulevard Beaumarchais, dort gibt es Richtung République das sehr große Rougier & Plé. Tolle und vor allem viele Stoffe gibt es am Fuße des Montmarte zwischen Anvers und Abbesses! | |
5. | Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen: |
Genug zu lesen, gute Schuhe (man läuft ja so viel rum!) und einen guten Handyvertrag (das Internet vor Ort funktioniert nicht immer so gut). Sonst so wenig Belastendes wie möglich, man bekommt ja alles in Paris und noch viel schönere Dinge, und Zeugs zurückschicken ist teuer. | |
6. | Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort: |
An der Cité selbst gibt es einen kleinen und einen großen Ausstellungsraum, außerdem ständig Open Studios – da würde ich mich mal umsehen. Sonst bietet der Marais viele gute Galerien und nebenan ist gleich das Maison Européenne de la Photographie. Louvre und Musée d’Orsay sind absolute Musts! Es gibt da jeweils spezielle Abendöffnungszeiten, die die Kunst in anderem Licht erscheinen lassen (!). | |
7. | Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz: |
Rund um St. Paul gibt es eigentlich alles, mehrere Supermärkte und dann weiter Richtung Bastille Käseläden, frisches Obst und Gemüse und Boulangerien. Meine Empfehlung ist das kleine Delikatessengeschäft IZRAËL in der Rue François Miron und dessen spezielle eigene Oliven-Mischung. Sehr gern essen ging ich ins Miznon (auf Shabbat-Schließzeiten achten), der kleinere Bruder ums Eck des völlig überschätzten und überlaufenen L’As du Fallafel. |
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8. | Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound): |
Im Marais die Bar Au Petit Fer à Cheval war sehr fein, außerdem gibt es da sowieso so viele Bars. Sonst ist ausgehen entlang des Kanal St. Martin eine Option, rund ums Chez Prune. | |
9. | Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte: |
Mit meinem ganzen Gepäck auf keinen Fall bei der Metro Pont Marie auszusteigen, denn da gibt es keine Rolltreppe. Am besten reist man auch nicht über Les Halles oder Châtelet an, da muss man 7–10 min zu Fuß unterirdisch herumirren, sondern man steigt vom RER B gleich bei Notre Dame aus (Sortie 5 nehmen) und geht mit Blick auf die Kathedrale zum Cité rüber. |
Website Resident: sabinejelinek.at