Tokio, Japan01/24–03/24

Milan Loviška und Otto Krause

Schon wenige Tage nach unserer Ankunft in Tokio begannen wir mit der Arbeit an unserem Aufenthaltsprojekt. Die Idee war, einen kurzen, experimentellen, nicht-narrativen Film zu entwickeln, der sich mit paranormalen Phänomenen in Japan beschäftigt. Das Projekt trug ursprünglich den Namen Psi, aber wir beschlossen, es mit Hilfe des japanischen Kanji für das Wort Tor umzubenennen. Die Inspiration kam aus dem Verständnis von Toren und Portalen als Übergangspunkte zwischen verschiedenen Ebenen der Realität, Welten (physischen, spirituellen, digitalen, etc.), Bedeutungen, u.a.. Außerdem sind Torkonstruktionen in Japan allgegenwärtig, insbesondere als wesentliches architektonisches Element religiösen Gebäuden.

Zunächst begannen wir mit einer Online-Recherche über die vermeintlich übernatürlichen Orte in Tokio und fanden eine ganze Reihe davon, meist mit der Geschichte von diversen Geistererscheinungen. Zu denen, die wir besuchten, gehörten zum Beispiel Horyuji-zaka in Shinjuku (Geisterstiege), die Umgebung des ehemaligen Tamai-Krankenhauses in Shibuya, der Sendagaya-Tunnel, die Telefonzelle Nr. 546 im Mizumoto-Park und das Grab des enthaupteten Samurai Taira no Masakado in der Nähe des Kaiserpalastes in Tokyo. Wir drehten verschiedene Szenen nicht nur an diesen Orten, sondern auch an anderen Plätzen, die für uns eine übernatürliche Ausstrahlung hatten, wie die Shibuya Scramble Crossing und vor allem unser eigenes Atelierhaus.

Die Sprachbarriere erwies sich erneut als ultimatives Hindernis, um von den lokalen Experten etwas über die kulturellen, historischen und religiösen Auswirkungen des Übernatürlichen in Japan zu erfahren. Wir waren daher auf verschiedene Online-Ressourcen und Informationen angewiesen, auf die wir bei unseren Abenteuern in der Stadt und im Land stießen. Trotzdem haben wir viel über die Bedeutung von Geistern in der japanischen Kultur und im Alltagsleben gelernt. Oft handelt es sich um Geschichten von rachsüchtigen Geistern oder von Menschen, die sich nicht von der Welt der Lebenden trennen können, aber auch um Geschichten von großem Kummer und Leid. Die Japaner nehmen sie sehr ernst und reagieren mit einer Vielzahl von Ritualen und Verhaltensweisen, die nicht nur dazu dienen, eine Kränkung wiedergutzumachen, sondern auch, um sich auf kulturell und spirituell angemessene Weise von ihren verstorbenen Lieben zu trennen. Unser kreativer Prozess konzentrierte sich auf die Figur der Yurei, eines weiblichen Geistes mit langen schwarzen Haaren. Haare sind in der japanischen Gesellschaft ein wichtiges Gut, insbesondere für Frauen, wobei sich ihre Bedeutung und ihr Charakter im Laufe der Geschichte wandeln.

Der größte Teil der Dreharbeiten fand im Januar statt. Zusätzliche Szenen wurden dann im Februar und März gedreht. Der Schnitt des Materials lief parallel zu den Dreharbeiten, wobei der Großteil in den letzten Wochen geleistet wurde. Im Februar und März wurden alle Animationen erstellt. Das Endergebnis wurde dann am 23. März 2024 im Studio Gross der Öffentlichkeit präsentiert. Die Ausstellung wurde dann nach Vereinbarung bis zum 26. März fortgesetzt. Die Film-Premiere und Ausstellungseröffnung waren sehr gut besucht und die Resonanz auf unsere Arbeit war sehr positiv.

1. Unser Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  Heiß
2. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Sei respektvoll und mach es wie die Einheimischen. Sehe so viel wie möglich in der Stadt und reise auch durch das Land. Wenn es ein Erdbeben gibt, gerate nicht in Panik.
3. Das fehlt uns/das vermissen wir, seit wir nicht mehr dort sind:
 
  • Die überwältigende Größe der Stadt.
  • Die verrückte Architektur.
  • Japanische Toiletten.
  • Sentos und Onsens.
4. Super Arbeitsmaterial gibt’s hier zu kaufen:
  Assist-wig in Higashiikebukuro, Toshima City – riesige Auswahl an Cosplays und Perücken.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen:
  Basic Sprachkenntnisse empfehlenswert.
6. Zum Thema Kunst an unserem Residency-Ort und wo wir die besten Ausstellungen besucht haben:
  Wir sahen zahlreiche Ausstellungen mit traditioneller, moderner und zeitgenössischer asiatischer Kunst, einschließlich traditioneller Stickereien, Kostüme und Architektur. Zu den Museen und Galerien, die wir besuchten, gehören zum Beispiel das Tokyo National Museum, das National Museum of Modern Art Tokyo, das Tokyo Metropolitan Art Museum, das Nezu Museum, das Museum of Contemporary Art Tokyo, das Sumida Hokusai Museum, das Tokyo Metropolitan Teien Art Museum, das Bunka Gakuen Costume Museum, das Sumo Museum, das Asakura House und viele kleine Galerien und Kunsträume. Außerdem besuchten wir wissenschaftsorientierte Ausstellungen im National Museum of Emerging Science and Innovation (Miraikan) und im Meguro Parasitological Museum. Ende März hatten wir die Gelegenheit, drei Arten des traditionellen Kabuki im Kabuki-za-Theater und auch ein Noh-Theaterstück in Tokio zu erleben. Wichtig war für uns auch, die lokale Queer-Kultur zu erleben. Wir besuchten einen Vogue-Ball in Tokio und eine Ausstellung in der Galerie Naruyama in Tokio, die uns die faszinierende Arbeit von Sadao Hasegawa vorstellte.  In Tokio und auch in anderen Städten Japans gibt es zahlreiche Kunstinstallationen im öffentlichen Raum. Wir haben viele von ihnen gesehen, aber eine der inspirierendsten war die lebensgroße Roboterstatue UNICORN GUNDAM in Tokio.
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufen wir ein, hier trinken wir Kaffee und hier gibt’s das beste Mittagsmenü um die Ecke:
  Wir haben vor allem im Life-Supermarkt hinter dem Haus eingekauft, der erschwinglich und sehr gut versorgt ist. Obst und Gemüse kann man jeden Tag billiger auf dem Markt in der Einkaufsstraße kaufen, in der das Studio Gross liegt. Das Postamt ist auch dort. Es war sehr günstig, draußen zu essen. Das Problem ist, dass die japanische Küche fast ausschließlich auf Fleisch basiert und es für Menschen mit Ernährungseinschränkungen sehr schwer und in manchen Fällen fast unmöglich ist, günstige Lokale mit alternativer japanischer Küche in der Nähe zu finden. Für günstiges veganes Ramen können wir das Ippudo Lumine Est in Shinjuku empfehlen. Vegetarisches japanisches Curry kann man in der Restaurantkette mit vielen Standorten namens CoCo Ichibanya essen. Der Kauf von Kleidung und Schuhen ist nicht ganz billig, aber man kann vor allem in Harajuku und Shibuya günstige alternative Mode einschließlich Schuhen und Accessoires finden. Second-Hand- und Vintage-Läden sind sehr beliebt, verkaufen oft gebrauchte hochwertige Marken und Labels und sind sehr teuer. Für Anime- und Manga-bezogene Produkte kann man zum Nakano Broadway oder Akihabara gehen.
8. Den Tag lassen wir bei einem Dinner, Drinks, gutem Sound oder zum Networken häufig hier ausklingen:
  Shinjuku Ni-chōme - Tokios Zentrum der schwulen Subkultur, das die weltweit höchste Konzentration von Schwulenbars beherbergt. Innerhalb der fünf Blocks, die sich in der Straße Naka-Dōri zwischen dem BYGS-Gebäude am Bahnhof Shinjuku San-chōme und dem kleinen Shinjuku-Park drei Blocks weiter östlich befinden, sorgen schätzungsweise 300 Schwulenbars und Nachtclubs für Unterhaltung.
9. Was wir eigentlich gerne schon am Beginn unserer Residency über das Atelier gewusst hätten:
  Das BMKÖS bietet viele Informationen, insbesondere darüber, was man mitbringen sollte und wie die Lebensbedingungen dort sind.

 

IG: @territorium_kv

Foto credits: Go ITAMI, Territorium KV, 2024

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