Veronika Hösch
Lieb* HIAP Studio zwei,
…ein Liderflattern…zwei Lider flattern…ein Konzert…begleitet im Rhythmus der Schlummertaste…ein Öffnen des Blicks in den Raum von meiner ent/rück/ten Schlafkoje…aufstehen…hinabsteigen…Vorhänge öffnen…Licht betritt den Raum…ein erster Blick aus dem Atelierfenster der Cable Factory und auf die Uhr… Click… Foto…schief… noch eins…eventuell zwei, drei an manchen Tagen…doch nie vergaß ich nie auf dich…ein Morgenritual fühlt sich gefunden an…wechselnde Jahreszeiten und Licht…viel Licht und Wärme von außen und innen…Dampf...Work-Life-Balance... Dampf…noch mehr…weniger…kaum Nebel…Wasser…Kristalle…Tränen…Klare Zustände…Schnee… Fenster auf…beschlägt…Dampf, der sich auch nach dem ersten Luftzug im Raum hält…nicht weichen will… alltägliche Klänge am Meer, von Wasserlebewesen, Booten und Menschen... erst dumpf klingend durchs Fenster nehmen die Sounds im Atelierraum ihren Platz ein…ein tägliches Aufwachen zu diesen Geräuschen… und einem Licht, das sekündlich farblich variiert und sich zeitlich immer mehr zurücknimmt…eine (un)spektakuläre alltägliche Freude für mich…für immer könnte ich am Meer l(i)eben und dem Rauschen des Wassers lauschen. Helsinki, ich fühle dich bald wieder! Wärmstens, Véro
Wer darf (öffentlich) trauern? Aufgrund der aktuellen internationalen Mehrfachkrise recherchierte ich während meines Aufenthaltes zu kollektiven Trauerritualen und ihr Potenzial für Protest, Veränderung und Stärkung der Gemeinschaft. Meine künstlerische Forschung konzentrierte sich auf die Tradition des Laments und darauf, wie transgenerationale und zwischenmenschliche Traumata in unsere Körper eingeschrieben sind und klingen. Das Lamentieren ist eine uralte mündliche Tradition, die Singen und Weinen miteinander verbindet und von Frauen* in Übergangsmomenten im Leben performt wird. Mit der Unterstützung von HIAP und lokalen queeren Organisationen konnte ich mehrere Emodiment-Workshops in der Cable Factory abhalten, darunter auch im Rahmen des Open Studio Days. In diesen Workshops testeten wir Notationen für ein transgenerationales Klangarchiv sowie für eine Live- und Videoperformance, die verschiedene Formen des kollektiven Trauerns thematisieren. Ich danke BMKOES für das Privileg, als Artist in Residence in Helsinki tätig sein zu dürfen. Diese Zeit ermöglichte es mir, meine künstlerische Praxis und Forschung zu vertiefen – ohne die ständige Verpflichtung, für Jobs und Projekte zur Verfügung zu stehen. Es war eine Zeit des „Seins“, des Innehaltens und des Miteinanders. Diese Auszeit war nicht nur unglaublich besonders und schön, sondern auch eine Herausforderung – und gleichzeitig unabdingbar für die Weiterentwicklung des Menschseins im zwischenmenschlichen Kontakt. Es war eine Zeit des Fühlens, der Akzeptanz und auch des Scheiterns. Ich hatte die Gelegenheit, viele wunderbare, offene und menschliche Begegnungen auf Augenhöhe zu erleben. Mir wurde viel geschenkt. Kiitos!
1. | Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort: |
Wachstum | |
2. | Dos & Don’ts an diesem Ort: |
Helsinki, und besonders die Cable Factory, bietet ein beeindruckendes Freizeit- und Naturangebot, das es mir ermöglichte, an manchen Tagen viel Input von außen zu erhalten und an anderen Tagen in völliger Ruhe und Abgeschiedenheit für mich zu sein. Mein Bewegungsradius passte sich im Laufe der Zeit immer mehr den saisonalen Licht- und Wetterverhältnissen an – vom langen, hellen Sommer bis hin zum kalten, dunklen Winter. Die Residency ließ sich sehr individuell und bedürfnisorientiert gestalten. Die Cable Factory selbst hat perfekt zu meinem Rhythmus gepasst: Nichts musste geschehen, aber alles war möglich. Es gab immer den Raum, neue Ideen zu entwickeln oder einfach in Stille nach innen zu lauschen. Und manchmal war alles, was ich brauchte, nur fünf Minuten entfernt. Das HIAP-Team war dabei stets höchst professionell und emphatisch. Zusammengefasst: Wunderbare Vorraussetzungen für künstlerische Experimente und Produktion. Ein ganz persönliches Highlight war es für mich, das Fahrrad einer ehemaligen HIAP-Stipendiat*in der Cable Factory nutzen zu können. So habe ich Helsinki in verschiedenen Lichtstimmungen erlebt, von den leuchtenden Sommerabenden bis hin zu den stillen, verschneiten Wintertagen. Und ganz ehrlich, ich habe die Sauna lieben gelernt.
Wichtiger Hinweis: Den Wohnungs- und Atelierschlüssel nicht stecken lassen! |
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3. | Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin: |
Das Licht, das Meer mit allen alltäglichen Klängen, meinen Arbeitsrhythmus, die Ruhe und das Privileg Zeit für mich und meine Kunst zu haben. Und all die intensiven zwischenmenschlichen Begegnungen. | |
4. | Super Arbeitsmaterial gibt’s hier zu kaufen: |
Ich bin bei Tori (Online-Tausch-Plattform), Kierrätyskeskus (Second Hand für Stoffe, Zubehör, etc.) und bei SWAMP (Kunstmaterial-Tauschbörse und Abfallentsorgungsstelle) fündig geworden. | |
5. | Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen: |
Wander- bzw. Regenstiefel für Unternehmungen in der Natur und Kleidung zum Schichten am Körper je nach Jahreszeit. | |
6. | Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort und wo ich die besten Ausstellungen besucht habe: |
Als Stipendiat*in wurde ich täglich vom HIAP-Team mit Tipps zu Ausstellungen, Performances, Lesungen, Symposium, Workshops und Projekten versorgt. Es passiert sehr viel ON und OFF und man muss sich selbst Schwerpunkte setzen. In meiner Zeit in Helsinki habe ich das Film- und Performanceangebot sehr genossen und ich kann wärmstens die folgenden Institutionen und Festivals empfehlen: Zodiak, Mad House, Kiasma Theatre, Theater Viirus, Kino Regina, Orion Cinema, Moving in November, Baltic Circle Festival, Rakkautta & Anarkiaa u.v.m.. Die Trans Library in Helsinki ist auch ein wunderbarer Ort zum Lesen und für weiterführende Recherche.
Tipp: Die meisten Museen haben einmal im Monat Gratis-Eintritt und im Amos Rex gilt der IG Künstler*innenausweis :) |
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7. | Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s das beste Mittagsmenü um die Ecke: |
Guten Filterkaffee und Korvapuusti bekommt man relativ günstig an jeder Ecke in Helsinki. Zu besonderen Anlässen und in Gesellschaft habe ich gerne im Teemaa wunderbaren Tee getrunken und Kuchen gegessen. In Helsinki ist Essen und Ausgehen sehr teuer und ich habe eigentlich immer selbst gekocht. 24/7 Supermärkte und Lidl sind in unmittelbarer Nähe von der Cable Factory und lassen sich gut mit einem Spaziergang am Meer verbinden. Zu Mittag und ab 21 Uhr gibt es auch im Supermarkt Reduktionen. Gegen Ende meiner Residency gab mir eine ehemalige HIAP-Stipendiat*in einen wunderbaren Tipp: In Helsinki lohnt es sich, nach 15 Uhr in Buffets zu gehen. Dann zahlt man oft nur noch etwa 5 Euro für das Essen. Das werde ich beim nächsten Mal in Helsinki ausprobieren. | |
8. | Den Tag lasse ich bei einem Dinner, Drinks, gutem Sound oder zum Networken häufig hier ausklingen: |
Das Networking fand häufig während und nach Veranstaltungen gemeinsam mit den Mitstipendiatinnen statt. HIAP spielte eine zentrale Rolle dabei, Künstlerinnen sowohl mit internationalen als auch mit lokalen Künstlerinnen und Kuratorinnen zu verbinden. Diese e-connects ermöglichten künstlerische Begegnungen und einen intensiven Austausch auf Augenhöhe, der sowohl inspirierend als auch bereichernd war. Ich trinke sehr selten Alkohol, aber hin und wieder gab es nach gemeinsam besuchten Veranstaltungen spontan ein Bier. Hier wurden wir auch mit guten Insider*innentipps (zB.: Jackies) vom HIAP-Team und lokalen Künstler*innen versorgt. Die gemeinsamen Essen mit den Stipendiat*innen auf Suomenlinna waren wie die Rückfahrt auf der Fähre Richtung Helsinki stimmungsvolle Highlights während meines Aufenthaltes. Meinen Arbeitsalltag ließ ich am liebsten mit Schwimmen und einem Saunagang ausklingen. Und oft fand ich noch Ruhe beim Lesen auf der Fähre. | |
9. | Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte: |
Das HIAP-Team hat mich bereits im Vorfeld meiner Residency hervorragend mit allen notwendigen Informationen vorbereitet. Sie waren zuverlässige und emphatische Ansprechpartner*innen, die mich durch den gesamten Prozess der Vor- und Nachbereitung begleiteten. Besonders hilfreich war die Möglichkeit, eventuelle Fragen zu Equipment und Technik für das Projekt sowie für den Alltag (z. B. Monitor) im Vorfeld zu kommunizieren und zu klären. Diese Unterstützung hat mir den Einstieg erleichtert und mir viel Raum gegeben, mich auf meine künstlerische Tätigkeit zu konzentrieren. |
Website Resident: veronikahoesch.com