Marion Kalter
Ich habe kein besonderes Projekt in London gehabt, ich habe mich aber inspirieren lassen von der Idee des objektiven Zufalls; sowie die Surrealisten es liebten: Bin besonders aufmerksam und inspiriert, da es für mich eine völlig neue Gegend von London zum Entdecken ist. In meinem Gehirn begleiten mich unterbewusst Lucian und sein Großvater Sigmund Freud.
Eines Morgens als ich das Badfenster öffne, sehe ich ein Feuer im Nebengarten, sofort hat es mich an die Atmosphäre des Gemäldes Wasteground with houses, Paddington von Lucian Freud erinnert .
Bald ist es Weihnachten, ich spaziere beim Trafalgar Square. Ein paar Sandler sind beim Vorglühen, rote Mütze am Kopf, sie sind schon im Rausch, nur einer hat mich bemerkt, aber das Foto ist schon in der Büchse.
Am Silvesterabend bin ich bei der Party des Chelsea Arts Clubs eingeladen, das Thema ist „Studio 54“. Es geht zu! Ein ehemaliges „Member“, Barry Flanagan, hat eine seiner Hasenskulpturen hinterlassen. Heute Nacht ist die Skulptur unter roter Beleuchtung. Bald danach, Ende Januar, eröffne ich im Club meine Ausstellung different trains.
Ja, natürlich gehe ich am Sonntag zum Speaker’s Corner in den Hyde Park… Ja, was ist schon das heiße Thema? Ein Bürger versucht die Lage zu erklären. A propos, beim Columbia Market habe ich etwa 40 Tulpenknollen gekauft, habe sie in den Garten gesetzt. Im Frühling wird man vielleicht das verpönte Wort „B….T“ lesen können, BR und IT weiss und EX schwarz, das Pünktchen auf dem I rosa. Leider werde ich nicht mehr da sein um das Spektakel zu sehen, bis dahin schaut es so aus, dass die Entscheidung verlängert wird. Bei der Photographers’ Gallery gibt es sogar ein Symposium vom Künstler Jonas Lund „Operation Earnest Voices“, um zu zeigen, wie die Medien die Meinung der Bürger beeinflussen. Ich bin bei der Eröffnungsparty dabei.
Neben der Royal Academy sitzt die „Linnean Society“ (Linné Gesellschaft). Heute Abend wird besprochen wie sich die wilden Tiere an die Stadt anpassen (mit Buchpräsentation und kleinem Umtrunk in der Library). Zufällig liegt die Ansichtskarte „Save the Crystal Palace Dinosaurs“ da. Ein paar Tage später besuche ich diese fantastischen viktorianischen Skulpturen im Crystal Palace Park. Es ist eiskalt, viel kälter als im Zentrum von London.
„Save the George Tavern“, so heißt im Moment das Motto bei diesem historischen Pub im East End, der bedroht ist, zu verschwinden! Mittlerweile ist dieser Pub gerettet. Oft spielen junge Bands, alles mit Kerzenbeleuchtung.
Ich gehe zum ICA, heute wird der letzte Film von Wang Bing Dead Souls gezeigt (8 Stunden). Auf dem Weg sehe ich einen Reiher unter der „Sonnendusche“ beim St. James Park.
Ich laufe durch den nahegelegenen Friedhof von Tower Hamlets. Er ist nicht mehr in Betrieb, wird aber von Liebhabern zu einem wildaussehenden Park gepflegt, den Freunden des Tower Hamlets Cemetery Park. Die Buchstaben fallen nach und nach von den Gräbern, Menschen spazieren mit großer Freude durch.
Vom Bus aus kann ich vieles beobachten, besonders wenn ich im Double-Decker oben vorne sitze. Vor mir ist eine Frau mit Kopftuch. Beim grünen Licht fährt der Bus weiter.
Der 205er Bus fährt am Whitechapel Market vorbei; die East End Moschee ist nicht weit. Eine verschleierte Frau zieht ihren weißen Handschuh aus. Es gibt rund herum viele Schulen, wo die Mädchen alle ein weißes Kopftuch tragen (müssen?).
Ich nehme ein letztes Bier im nahegelegenen Pub „The little Driver“ bei Bow Church. Ein Arbeiterpub mit wenig Beleuchtung wo viele Sport schauen; am Nebentisch fällt ein müder Gast fast vom Sitz runter.
Hier in London lebt jeder parallel in seiner eigenen Welt. Viele Exzentriker vermischen sich auch fast unbemerkt in der ganzen Stadtszene.
Marion Kalter, März 2019
1. | Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort: |
East End atmosphere und obwohl neben einer großen Straße doch sehr ruhig. Herrlich, so viel Platz zu haben! | |
2. | Das fehlt mir/das vermisse ich seit ich nicht mehr dort bin: |
Die Double-Decker-Busse, aus denen man die Welt ein bisschen von oben betrachten kann. | |
3. | Dos & Don’ts an diesem Ort: |
den Garten ein bisschen betreuen, den Tower Hamlets Cemetery zum spazieren gehen besuchen oder am River Lea entlang gehen | |
4. | Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann: |
Great Art an der Kingsland Road, Fotos entwickeln bei Rapid Eye an der Leonard Street, Kameras reparieren (auch analoge) bei Sendean Cameras, St Cross Street | |
5. | Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen: |
Wein wenn man könnte! Ist sehr teuer in England. | |
6. | Zum Thema Kunst an meinem Residency Ort: |
Nunnery Galerie (gleich ums Eck), Barbican Center nicht so weit weg, Fishbar Photo Gallery 176 Dalton Ln | |
7. | Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz: |
Tesco (66 Vernon Road), Coop bei Bow Church, Kaffee gibt es bei der Nunnery Gallery… auch sehr guten Kaffee bei „Cody Dock“ am River Lea | |
8. | Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sounds): |
Pub „The little Driver“ oder ein bisschen weiter the George Tavern | |
9. | Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte: |
Flughafen Stansted ist gut zu erreichen (Bus von Bow Church); St Pancras Bahnhof auch direkt mit dem 205er Bus erreichbar… und dass am 25sten Dezember keine einzige Tube, kein einziger Bus fährt, man muss Rad fahren, zu Fuß gehen oder mit Uber oder Addison Lee im Auto fahren. |
Website Künstler:in: marionkalter.com