Herzliya (Tel Aviv), Israel04/19–06/19

Heidi Schatzl

Ob ich Englisch spreche, er liebe mich, erklärte mir ein Unbekannter am Gehsteig und auch, dass ihm das zu sagen nicht leicht fiele. Mein Lehrer betonte immer, wie wichtig es im Hebräischen ist, gleich auf den Punkt zu kommen, weil man hier nicht die Zeit hat, das Ende des Satzes abzuwarten. Und Israelis sind sehr casual, wie mir eine Bekannte vorausschickte, man kann alles fragen, das wäre kein Problem. Im Gegenteil, das ist state of the art, so eine andere Quelle. Wer eine Frage verweigert, hat womöglich etwas zu verbergen.

Israelis sind sehr aufmerksam. Sie haben einen genauen Blick dafür, wer wo hingehört, wie man sich verhält, und werden auch nicht müde zu fragen, woher man kommt. Erstaunlicherweise löst Wien bei vielen eine Sehnsucht aus. Die auch nicht getrübt wird, wenn ich behaupte, Wien wäre schon ein bisschen langweilig. Langweilig klingt in israelischen Ohren lachhaft, nicht aufregend wie Regen und Wald, langweilig kann man hier nur selbst sein. Auch wenn sie in der Schnelle deren Namen nicht immer abrufbar haben, so wird in Nebensätzen deutlich, dass die ermordeten Großeltern und Verwandten mit den Orten in Europa abgespeichert sind. Israel ist aus Europa, aber Europa ist nicht in Israel. Jene Tante, die in Wien versteckt blieb und überlebte, so höre ich, ihr hatte eine Madonnenstatue zugelächelt. Israel ist eine Reise, eine nie enden wollende Erzählung. „Ich kann mich freuen an dir, und du kannst dich freuen an mir, so können wir uns aneinander freuen“, lautet die bestechende Logik eines Orthodoxen, der mich auf Deutsch anspricht. Bezaubert vom Abendlicht, schaue ich mit arabischen Frauen am Damaskustor auf Steine, von denen jeder andersfarbig leuchtet. Sie sind entzückt, dass mir gefällt, was ihnen Freude bereitet. Wir sind uns ein Spiegel. In ihren Städten, Bussen, an Checkpoints orientieren sie mich, damit ich im ungeschriebenen Raum nicht verloren gehe und wieder zu meinem Gehsteig zurückfinde.

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  ohne Verpflichtungen
2. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  Die Palme im Garten, das paradiesische Licht, die verdörrte Erde, der Staub auf den (Zug-)Fenstern. Eingelegte Gurken, eingelegter Fisch. Jerusalem, Sonnenuntergang am Damaskustor, Zeitunglesen im Österreichischen Hospiz. Haifa.
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Radfahren am Gehsteig, Freitagsdemos in Gaza, ganz schrecklich vermisste ich Zeitungen in Cafés (Ausnahme Jerusalem), Stadtpläne sind rar, Archivsuchen langwierig. Was es nicht gibt, kann man erfragen.
4. Wo kann man super Arbeitsmaterial kaufen?
  Copyshops sind rar.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen:
  Hebräisch-Kurs, Bücher, Kaffeemaschine, ev. Zitronenpresse (gibt’s nur in Luxusausführungen), Neugierde und vor allem keine Angst.
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Ran Kasmy Ilan macht ein tolles Ausstellungsprogramm in der Residency, weitere Ausstellungshäuser, die man sich nicht entgehen lassen sollte: Kunstmuseum Herzliya, Helena Rubinstein Pavilion in Tel Aviv, Museum on the Seam in Jerusalem, City Museum in Haifa.
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  Ich war kaum essen, weil Obst und Gemüse in rohem Zustand schon so gut sind und jedes Geschäft frisch eingelegtes, gegrilltes Gemüse, Salate, Humus und vieles mehr hat plus die Bäckereien sehr gut sind.
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  häufig: im Zug, nicht uninteressant: Wartehalle am Flughafen, bester Sound: Meeresrauschen am Strand.
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Feueralarm in der Küche geht schnell los, am besten, bei geöffnetem Fenster kochen.


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