Peking, China06/16–08/16

Georg Salner

Im Atelier entstanden drei teils prozessuale temporäre Installationen, die mich in unterschiedlicher Weise mit Peking/China in Verbindung gesetzt haben. Eine mit industriellen Materialien – wie es dem Prinzip meiner sammlerisch-konstruktiven Idee des über viele Jahre entstandenen Tableaus E/O/S entspricht –, eine Sesselvariante, die sich naheliegend auf das ganz moderne China bezog, Peking Throne. Weiters eine Intervention mit älteren und natürlichen Materialien mit Verweisen auf Mao, die das alte China mitsamt dem historischen Ballast meinte, Long Hammer (… der lange Marsch zur Werkbank der Welt), und die kleine analoge Foto-Installation Beijing – red & yellow, deren 72 Bilder schon 2005 in Peking entstanden waren und die ich als Andock-Moment an den letzten Peking-Aufenthalt im Atelier verankern wollte. Im Rahmen eines Open Studio Days und bei der allgemeinen Vorstellung der Positionen der Stipendiatengruppe habe ich meine Interventionen und meine künstlerische Position anhand von Fotos und Katalogbildern zur Diskussion gestellt.

Während meiner Pekinger Zeit, habe ich immer wieder Galerien und Museen besucht und auch einige interessante Gespräche mit Galeristen und Kuratoren geführt. Aber vor allem habe ich, meinem Plan entsprechend, eingehend die jüngste Baugeschichte Pekings mit ihren spektakulären Neubauten erkundet. Im Jahr 2005, als ich, von Pakistan kommend, zwei Wochen in Peking verbrachte, war von alledem noch nichts vorhanden, einiges aber bereits im Bau. Ich hatte keine Vorstellung von dem, was und wo gebaut werden sollte und war dementsprechend überrascht und beeindruckt. Vor allem die Olympischen Spiele 2008 haben bekanntermaßen einen enormen Bauboom sowie mit dem U-Bahn-Ausbau eine große Infrastruktur-Verbesserung gebracht. Als Folge kann auch die Anbindung des Atelier-Areals nahe dem Beijing International Airport an die Stadt gelten, der wiederum mit dem Airport-Express-Zug auch eine gute öffentliche Verbindung zur innerstädtischen U-Bahn bekam.

Diese Untersuchung ist für mich deshalb von besonderem Interesse, da die Volksrepublik China sehr lange von den modernen Architekturströmungen abgekoppelt war. Ganz anders zum Beispiel als das an die Weltwirtschaft erfolgreich angebundene, prosperierende und inventive Japan, das ich zu einem mehrdimensionalen Vergleich während der Residency besucht habe.

In China selbst hat der Bau spektakulärer Neubauten in Shanghai gestartet, andere Städte, insbesondere Peking folgten erst später. Die Sonderzone Hongkong war natürlich schon lange führend in der Darstellung von Macht und Reichtum. Die chinesischen Entscheidungsträger, offiziell und privat, machtbewusst und zur (staatstragenden) Schaustellung bereit, konnten und wollten nicht anders, als in der Hauptstadt, relativ nahe dem alten Zentrum, ebenfalls an die globale Hochhausmoderne anzuschließen, vor allem aber neue ikonische Bauten wie das Olympia-Stadion, das CCTV Gebäude oder das Nationaltheater zur Darstellung des neuen Selbstbewusstseins zu ermöglichen. Welche Wichtigkeit das Prestigeprojekt „Olympische Spiele“ hatte, kann man daran ablesen, dass das olympische Areal exakt nördlich in der Achse der verbotenen Stadt, also in der alten imperialen Ritualachse positioniert wurde, auf der auch das Mausoleum des Säulenheiligen Mao Zedongs steht. (Derzeit übrigens sicherheitstechnisch vollkommen abgeriegelt, entsprechend den rigiden Sicherheitsmaßnahmen am Tian’anmen-Platz, die hier inzwischen eingeführt wurden.) Es ermöglicht einen unendlich anmutenden Perspektiv-Blick nach Süden. Die Achsen der Himmelsrichtungen sind also auch im modernen Peking von enormer Bedeutung und somit eine historische Kontinuität seit der Gründungszeit.

Was die große Menge der Bauten in Peking betrifft, so hatte und hat es noch immer einen sehr altmodischen Charakter. Es ist nur spannend in den wenigen verbliebenen Hutongs mit ihren grauen Gassen, leider teilweise mit grauen Fliesen ganzflächig behübscht und im chinesischen Sinn aufgewertet, die aber durch die Revolution verursacht nicht mehr das ursprüngliche (familiäre) Wohnmodell beinhalten. Peking besitzt postmodernistische Hochbauten mit chinesischem Lokalkolorit, sowjetisch „inspirierte“ Plattenbauten und ein großes Maß an geschichtlichem Ballast, besonders auch aus der Zeit nach der Machtübernahme, da Politik in erster Linie Peking bedeutete und bedeutet. Ich erwähne das Nationalmuseum und die Große Halle des Volkes, die eigenartig historisierend und faschistoid wirken. So sind die zeitgenössischen architektonischen Setzungen in Peking durch die Zeitverzögerung und in ihrer stilistischen Radikalität besonders und extrem künstlich. Es gibt Stimmen, die das ganze neue Baugeschehen als unchinesisch und unpassend zu Peking ansehen, was in gewisser Weise auch stimmt. Das neue Nationaltheater neben der großen Halle des Volkes ist dennoch als genial gelungen zu betrachten, aber gerade die Hochbauten wirken sehr stark aufgepfropft. Gemeinsames Kennzeichen ist, dass sie fast alle in den obersten Etagen internationaler Spitzenbüros eingekauft wurden. Ein besonders illustratives Beispiel dafür ist das Galaxy SOHO von Zaha Hadid, das an den Rand eines intakten, nunmehr aber stark verkleinerten Hutong-Gebietes gebaut wurde. Auch am Beispiel des angesagten und auch durch Zaha Hadid geadelten Vororts Wangjing, unweit des Atelier-Compounds, ist zu sehen, wie sich eine glänzende Hochhausagglomeration entlang von Autobahnen ins Weichbild der Stadt frisst, an deren Ausläufern Dritte Welt in einer besonderen Spielart existiert. In Wanjing sind auch Daimler, Motorola, IKEA, Sony und Siemens angesiedelt. Alles mit den Müllhalden, vollkommen verdreckten offenen Abwasserkanälen und ungenütztem Brachland zusammen zu dokumentieren – von der Seite der Dritte-Welt-Kleinstadt Feijiacun, in der das Atelier angesiedelt ist. Dies charakterisiert auf einer lokal-typischen Ebene die unstimmige und hypertrophe Modernisierung Chinas, die bisher und auf lange Sicht weder auf politisch-sozialer Ebene noch im Verhältnis zur Umwelt geglückt ist. Genuin chinesische und oft subtilere hochstehende Architektur gibt es seit Längerem auch in China, ich erwähne den Pritzker-Preisträger Wang Shu (2012).

Im Gegensatz zu früheren künstlerischen Dokumentationen von Architekturen im Medium Farbdia oder Schwarzweiß habe ich mich diesem Projekt – insbesondere sechs Gebäuden und deren Nachbarschaften – nun mit der Digital-Kamera und dem besten mir verfügbaren Objektiv angenähert, um sie in kleinen An- und Ausschnitten zu „sezieren“ – mit dem Potenzial, sie als neue „Bild-Gebäude“ zu rekonstruieren.

1. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Muss jede/r selbst herausfinden, da China Eigengesetze hat.
2. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  Leider keine Ahnung, habe nichts Wichtiges besorgt, Tipps vor Ort leicht zu beschaffen bzw. ist in Unterlagen vorbereitet.
3. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Hat mich nicht unbedingt umgehauen, vieles in Varianten bei uns besser, mit Ausnahmen (Ullens Center, Long March Space, White Space – Caochangdi, Red Brick Art Museum). Viel spektakuläre Architektur: alt und neu!
4. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  Ebenfalls eine Erfahrung, die jede/r selbst machen muss: Tipps gibt’s in den Unterlagen im Atelier und ist mit Kollegen und Kolleginnen im Programm leicht zu erfahren.
5. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  Tipps vor Ort einholen: genug Ansprechpartner:innen
6. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Wo das Atelier genau ist …


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